Filmkritik: "The Purge"
/Der Film "The Purge" wankt etwas unsicher mit seiner hochinteressanten Grundidee auf dem Grat zwischen Thriller, Zukunftsdystopie und Action Drama. Ein Film, der in sich nicht vollkommen überzeugt, aber Basis für einen hochinteressanten Diskussionsabend liefern kann:
Einmal im Jahr dürfen alle Amerikaner 12 Stunden lang morden, wie sie wollen. Strafffrei. Diese "Reinigung" hält die Gesellschaft am Laufen. So wird es jedenfalls von der Propaganda eingeflüstert.
Unser Held (?) James verkauft Sicherheitssysteme. Denn niemand möchte an diesem Abend das Ziel einer meuchelnden Meute werden. Wie jedes Jahr schließt er sich und seine Familie ein und wartet auf das Ende der gesetzlosen Zeit. Doch dieses Jahr läuft etwas schief.
Ab jetzt will der Film zu viel in zu kurzer Zeit erreichen. Gesellschaftskritik mit der Schrotflinte. "Clockwork Orange" und "Funny Games" dazu ein bisserl "Dschango unchained" und "Panik Room" - das ist einfach zu viel (und jeder dieser Filme handelt "sein" Thema deutlich stringenter und beeindruckender ab).
Die Hauptpersonen ändern zu schnell ihre Lebenseinstellung (mehr im Spoiler nach dem Trailer) - das wirkt unglaubwürdig. Die echten Spannungsmomente bleiben rar gesät - vieles bleibt vorhersehbar.
Am Ende des Tages - äh - Filmes möchte ich den Streifen trotzdem empfehlen und eine gemütliche Diskussion einplanen. Er ist es wert. Aufgrund der Idee, die hinter dem Drehbuch steckt -- nicht aufgrund der Durchführung.
Wer es heftiger und böser mag, sei auf "Funny Games" verwiesen. Wer mehr (saubere) Gesellschaftskritik erwartet, sollte sich an "Equilibrium" und "Out of time" versuchen.
Meine Meinung zu Teil 2: "The Purge Anarchy" findet sich hinter diesem linken Link.
/* Spoiler - "The purge" - Fehler und Interpretation */
Der Film kämpft (auch aufgrund seiner kurzen Laufzeit) mit einigen Problemen. Ich fand es sehr unglaubwürdig, wie der Freund von James Tochter einfach so beschließt, James zu erschießen.
Hier hakt der Film! Denn "The Purge" bedeutet nicht, dass die Menschen durch eine höhere Macht aggressiv werden, sondern ihnen wird zu dieser Zeit erlaubt, zu tun, was sie schon immer wollten. Nach diesen 12h muss man aber (trotz Straffreiheit) mit den Folgen leben. Wenn ich den Vater meiner Freundin töte, wird das keine Basis für eine gute Beziehung sein.
Das Ende und die Botschaft:
Die Gesellschaft rettet sich vermeintlich dadurch, den Menschen ein Ventil für ihre Aggressionen zu bieten. Was für eine Ausrede. Letztendlich werden diejenigen Opfer der "Säuberung", die sich den Schutz nicht leisten können.
Zu Profiteuren werden diejenigen, die Schutz verkaufen. Und das (!) hält die Gesellschaft am Funktionieren. Mit Angst wird Geld verdient. James selbst sagt ja zu seinem Sicherheitssystem: "es sieht gut aus - aber nichts ist unüberwindlich". Und ähnlich sieht es die Angreifertruppe: sie knacken jedes Haus, wenn es sein muss. Aber sie wollen eigentlich "Ihresgleichen" nicht abschlachten.
Der Film überzeichnet hier gnadenlos. Da erschießt der Bandit mal schnell seinen "Freund" und niemand juckt´s. Da fallen die Nachbarn über James´ Familie her und arrangieren die geplante Meuchelei wie ein Menschenopfer an den Gott der "neuen Gründerväter". Insgesamt ein Sinnbild auf eine schizophrene Gesellschaft, die die Säuberung gut findet - solange sie bei den anderen stattfindet.
Nett fand ich James´ Sohn Charlie, der mit seinen leicht autistischen Tendenzen den einzigen Sympathieträger des Filmes abgibt - zusammen mit dem namenlosen Opfer von der Straße. Diese beiden sind die Einzigen, die sich getrauen, Erbarmen zu zeigen... und damit zerstört Charlie das ganze geordnete System dieser Familie zerstört.
Bösartig und großartig zugleich: die Fernsehkommentare am Ende. Wie weit sind wir weg von dieser Realität?